Der Mensch fasziniert mich, sagt Claudine Mertens von sich. Wer ihre Zeichnungen und Bilder in Tusche, Pastell, Ölkreide und Gouache sieht, versteht auch sofort warum. Die Portraits, die sie zeichnet – man könnte auch sagen, dass sie sie malt – sind Gesichter, aber auch Körper. Vergeblich sucht man darin die formale Schönheit eines klassischen Portraits, das spontan Autorität oder Charme, Trübsal oder Freude ausstrahlt. Die Künstlerin bedient sich verschiedener Mittel, die einander ergänzen: Die Tusche wird zur Lavur, stößt auf Ölkreide; manchmal gesellt sich auch Gouache dazu, während die Holzkohle Volumen und Bewegung in die Akte bringt. Die Abstraktion entsteht aus der Mischtechnik.
“Ich zeichne keine Figuren, sondern Seelen“ Mit diesem Ausspruch liefert sie dem Betrachter einen Schlüssel – ihren Schlüssel – zur Interpretation ihrer Werke. Zentrales Element im Gesicht ist der Blick. Das Augenweiß sprüht aus der dunklen Augenbraue hervor. Die Augen, Spiegelbild der Seele, durchdringen dieses Dunkel, beleben ein behutsam angedeutetes Angesicht und werfen den Besucher auf sich selbst, auf seine eigenen Fragen zurück. Der ungreifbare Blick versinnbildlicht die Unsichtbarkeit von Gedanken, den Abstieg in das innerste Geheimnis des Menschen, das den Betrachter mustert, während er es zu erforschen versucht. Für ihre Portraits greift Claudine Mertens aktuelle Zeitzeugnisse auf oder lässt ihrer Phantasie freien Lauf: Ihre Bilder sind das Ergebnis einer inneren Betrachtung, die spontan hervorsprudelt, wenn sie gestärkt durch einen unsichtbaren, aber kreativen Lebenssaft gereift ist – so wie sich eine Knospe im Frühling öffnet. (Adaptiert nach Albert Moxhet*)
Die Ausstellung ist im ZVS-Museum vom 9. März bis 26. April 2019 zu sehen.
*Albert Moxhet ist Dozent für Philosophie und Literatur an der Uni Lüttich.