Das „Spritzenhäuschen“ von Wirtzfeld

Abgelegt in Schülertexte

Geschrieben am 01.10.2012

Schlagwörter: ,

Dieser Beitrag wurde verfasst im Rahmen des Projektes:
Jugend erforscht Geschichte „Wenn Steine reden könnten…“ – Ein Wettbewerb des Geschichtsvereines „Zwischen Venn und Schneifel“ (2003-2004)

    

Der Brand

Am 11. Juni 1968 hat es bei meinen Großeltern, Aloys und Elisabeth Willems aus Wirtzfeld, gebrannt.
Die Nachbarn haben den Qualm und die Flammen zuerst entdeckt. Der Dachstuhl war am Brennen. Sofort wurde die Wirtzfelder Feuerwehr alarmiert. Doch leider hatten sie ein Problem mit dem Wasserholen, darum musste die Büllinger Feuerwehr auch noch kommen. Mit Hilfe der Nachbarn und der Feuerwehr war das Feuer nach ungefähr 2 Stunden gelöscht.
Im Haus befanden sich, als das Feuer begann, meine Oma, eine Tante und Mama, die damals noch im Kinderbett lag. Meine Oma hatte sie in ihrem Schock vergessen, so dass eine Nachbarin Mama noch gerettet hat.
Mein Opa befand sich im Stall. Ein Mann, der während des Brandes sich oben im Haus befand, musste aus dem Fenster springen, weil die Treppe abgebrannt war. Er hat sich aber nicht verletzt, weil er im Garten gelandet war.
Die Feuer- und Wasserschäden waren überwiegend bis zu den Schlafzimmern. Einen Tag und eine Nacht wurde die Familie bei Nachbarn aufgenommen, dann konnten sie wieder zu Haus im Wohnzimmer schlafen. Im Herbst war soweit alles wieder aufgebaut. (Manuel)

Die alte Wirtzfelder Motorspritze

Was ist das Spritzenhaus?

Heute würde man sagen, es ist eine Feuerwehrzentrale. Hier war Platz für Löschwagen und die anderen Utensilien der Feuerwehr.

Das Spritzenhaus von Wirtzfeld

Wahrscheinlich wurde 1924 ein massives Natursteingebäude mit Ziegeldach auf dem „Arebüschel“ erbaut.
Das Gebäude ist etwa 7 m breit und 8,30 m lang. Die Mauern sind 2,86 m hoch, der Giebel vorne 5,26 m. In der Mitte befindet sich eine Trennmauer.
In der einen Hälfte stand die Feuerwehrspritze (1924-1944 Handdruckspritze, 1955-1977 Motorspritze). Neben dem Haus stand ein Mast, an dem die Schläuche zum Trocknen aufgehängt wurden, auf dem Dach hatte man um 1955 eine Sirene angebracht. Auch eine neue Leiter und ein Schlauchwagen wurden etwa 1957 angeschafft. 1977 spendete die Feuerwehr von Büllingen einen LKW.

In einer Hälfte war eine Viehwaage („Bascule“) untergebracht. Heinrich Marichal und später sein Sohn Joseph waren Wiegemeister. Wöchentlich, meistens montags, wurden verkaufte Schweine und Rinder gewogen.
Während der Ardennenoffensive 1944 hielten sich im Spritzenhaus farbige amerikanische Soldaten auf.

Der Dachstuhl des Hauses Aloys Willems nach dem Brand 1968

Später wurden in diesem Haus u.a. der Leichenwagen, eine Tragbahre für Unfälle  und Fronleichnamsutensilien untergebracht. Das „Spritzenhäuschen“, Eigentum der Gemeinde Büllingen, ist heute in einem schlechten Zustand, manche sprechen sogar von einem „Schandfleck“. Es ist noch ungewiss, was einmal daraus werden soll.

Geschichtlicher Rückblick

Brände waren in früherer Zeit das gefürchtete Schreckgespenst einer Dorfgemeinschaft.
Die Häuser mit Stroh gedeckt, die meist aus Holz angebauten Ställe und Scheunen und die Verwendung von Kerzen, Fackeln und Laternen bildeten eine ständige Gefahrenquelle.
Mit Feuerlöschordnungen versuchte man Katastrophen einzudämmen: Kaiserin Maria Theresia 1759, Kaiser Joseph II. 1780 und 1782. (1908 verbieten die Behörden jegliche weitere Verwendung von Strohdächern.)
Mit dem „Feuerhorn“, Glocken oder Geschrei wurde ein Brand signalisiert. Jeder Mann und jede Frau musste mit einem Ledereimer zum Brandplatz eilen, dort mit höchstem Eifer Wasser herbei schaffen. Personen, die nicht halfen, wurden bestraft. Doch es war fast immer ein vergeblicher Wettlauf mit der Zeit. Die Helfenden litten an der mangelhaften technischen Ausrüstung. Oft brannten ein ganzes Gehöft oder mehrere Nachbarhäuser ab.
Im Jahre 1833 wurde im Regierungsbezirk Aachen (zu dem damals die heutige DG gehörte) eine neue Feuerordnung herausgegeben. Die Gemeinden wurden nun verpflichtet, für den nötigen Brandschutz selbst zu sorgen. Dies geschah meist in der Weise, dass man ein Spritzenhaus errichtete, Brandeimer, Feuerhaken und Steigleitern beschaffte und eine Gruppe von Bürgern als „Brand-Corps“ aufstellte (Pflichtfeuerwehr). Alle diensttauglichen männlichen Ortseinwohner (meist zwischen 18 und 55 Jahren) mussten Feuerwehrdienst leisten und sich Übungen unterziehen. Die nachbarliche Hilfe blieb aber weiterhin bestehen. Die Löscharbeiten hatten vor allem den Sinn, das brennende Haus mit den Feuerhaken „an die Erde zu legen“ und benachbarte Gebäude mit Wasser zu überschütten.

                     

In 1870 wird in Wirtzfeld ein neues Spritzenhaus errichtet und eine neue Spritze durch die Gemeinde angeschafft. Das Spritzenhaus stand dort, wo jetzt das Kriegerdenkmal steht, es war eine Art Käfig aus Schmiedeeisen, der dort ansässige Schmied hatte es hergestellt. Die von Pferden oder Muskelkraft gezogenen Spritzen hatten eine Leistung von 200 Litern pro Minute und mussten von mindestens vier Personen bedient werden. Eine wichtige Verbesserung war auch das Anbringen von Schlauchkästen, die im ganzen Dorf verteilt und an gut sichtbaren Stellen montiert wurden. Wirtzfeld hatte durch die drei Bäche, zahlreiche Brunnen und die Wasserleitung (ab 1913) genug Löschwasser.

Der Schlauchkasten

1924 ist das Jahr der Gründung der Freiwilligen Feuerwehr, Zug Wirtzfeld. Dreißig Männer treten der Feuerwehr bei, die in drei Gruppen eingeteilt ist: Rettung- und Steigerabteilung, Wasserabteilung, Spritzenabteilung. Im Zweiten Weltkrieg wird die Feuerwehr aufgelöst, viele Männer müssen als Soldat dienen, die Uniformen werden beschlagnahmt. Durch die Kriegsereignisse kommen 1945 auch die Spritzen und sämtliches Material abhanden.
1955: Neugründung der Feuerwehr („Zug der Freiwilligen Feuerwehr Wirtzfeld“). Mit der Gemeindefusion 1977 wurde die Feuerwehr Wirtzfeld der Bezirksfeuerwehr Büllingen angeschlossen. Im Jahre 2002 wurde die Feuerwehr Wirtzfeld aufgelöst. Heute sind 4 Wirtzfelder in der Wehr von Büllingen. Es besteht noch eine „Ehemalige Feuerwehr Wirtzfeld“. Die Mitglieder erinnern sich gerne an viele schöne Stunden, an die monatlichen Übungen. Die Feuerwehr war auch immer zur Stelle, um sich an Feiern oder Festen der Dorfgemeinschaft zu beteiligen, z.B. um am Fronleichnamstag den Himmel zu tragen.

Was geschah bei einem Brand?

Der erste, der am Spritzenhaus war, betätigte die Sirene. Zuerst mussten Menschen und Vieh gerettet werden. Die Feuerwehrspritze wurde zur Pumpstation gefahren, die Schläuche schnell zum Brandherd gelegt. Die Feuerwehr versuchte, den Brand zu löschen oder Nebengebäude zu schützen.

Gebäudebrände in Wirtzfeld

  • 1855: Das Pfarrhaus mit Strohdach brennt völlig ab. Dabei werden viele alte Urkunden vernichtet.
  • 1869: Am 30. September brennen 4 Häuser mit Nebengebäuden ab. Nur zwei waren versichert. Es entsteht ein Schaden von 4500 Talern. Brandursache: Kleine Kinder hatten mit Zündhölzern gespielt!
  • um 1900: die aneinander liegenden Häuser Jerjes (Melchior) und Schuenen (Welsch)
  • 1882: Das Haus Hoenen (Joseph Mackels II) brennt ab.
  • 1919: In diesem Jahr nach dem Krieg sind vier Gebäude dem Feuer zum Opfer gefallen: die Stallungen von Zelljen sowie die Häuser Schloß, Klöß (Peter Luxen) und Marjelienen (Johann Palm).
  • 1920: Das Haus von Heinrich Marichal brennt ab.
  • 1924: Brand der Werkstatt von Johann Mollers (Knipsen)

    Dieses Schild mit dem Leitspruch der Feuerwehr hing einmal im alten Spritzenhaus.

  • 1943: Das Schulhaus gerät in Brand, Dachgeschoss und Lehrerwohnung werden in Mitleidenschaft gezogen.
  • 11.06.1968: Wohnungsbrand bei Aloys Willems
  • 16.05.1972: Brand im Parkhotel
  • 12.06.1973: Brand bei Landwirt Dell
  • 21.03.2003: Hausbrand bei Clemens Palm

Anekdote:

Als das Schulgebäude in Brand geraten war, kamen natürlich auch viele Schaulustige. Besonders die Kinder betrachteten das Ganze sicher mit gemischten Gefühlen. Der Ausruf eines älteren Schülers „Lässt se noch jet brönen!“ („Lasst sie noch etwas brennen“) dürfte wohl der beste Beweis dafür gewesen sein. (Aus der Pfarrchornik)

Quellen

  • Interviews mit Maria Bettendorff, Ludwig Brück, Paula und Otto Brüls, Ludwig Chavet, Edgard Drösch, Hubert Heck, Frieda Heinen, Leo Moelter, Clemens Palm, Josef Palm, Mathias Welsch, Elisabeth Willems, Günther Willems (Januar 2004)
  • Bürgermeistereichronik Büllingen, Gemeindearchiv Büllingen
  • „Wirtzfeld – 150 Jahre Pfarre St.Anna“, Aktuell-Verlag 1984
  • „Chronik Wirtzfeld“, Keller F., unveröffentlichtes Dokument
  • www.feuerwehr-(stolberg/euskirchen/herzogenrath).de

—————————————————————————————————————

Beitrag der Schülerinnen und Schüler des 4.-6. Schuljahres der G.S.Wirtzfeld

Veröffentlicht in  Monatszeitschrift “Zwischen Venn und Schneifel” Mai 2004, Seite 83

Suche Themen

Suche Bücher und Filme

Warenkorb

Keine Produkte im Warenkorb.

ZVS Infobrief abonnieren

E-Mail-Adresse:

Ihre übermittelte E-Mail-Ardresse wird ausschließlich für den Newsletter-Versand gespeichert.
Es erfolgt keine Weitergabe an Dritte. Dieses Formular wird mit reCaptcha gegen Spam geschützt.
Weitere Hinweise zum Datenschutz finden Sie hier.