Vom Ziegelbrennern, einer Prinzessin und einem Musterhof
Sourbrodt ist wohl eine der jüngsten Siedlungen im Lande zwischen Venn und Scheifel. Erst im 16. Jahrhundert entstand der Ort im nördlichen Bereich des Hofes Bütgenbach, als die Siedlungsbildung hierzulande längst abgeschlossen war. Johann Sourbroidt war der erste Siedler, der sich 1533 im Walde Averscheidt niederließ, wie das weite Waldgebiet genannt wurde, was sich an der Stelle der heutigen Ortschaft befand. An der Straße, die von Elsenborn zur Vennhochfläche führte, errichtete er eine Herberge, um die sich rasch die ersten Siedler aus dem wallonsichen Abteigebiet Malmedys niederließen. Schon 90 Jahre (1624) später zählte „Saurbrodt alias Euerscheidt“ 8 Haushalte. Die Herberge des Johann Sourbroidt ist im Laufe der Jahre sicherlich ausgebaut worden, denn 1709 ist von einem „Grand Logis de Sourbrodt“ die Rede. In der Zeit erhielt das Dorf die Erlaubnis zum Bau einer Kapelle, die 1710 durch den Bütgenbacher Pfarrer eingesegnet wurde und dem hl. Wendelin geweiht war. Wie 11 andere Orte unseres Gebietes wurde Sourbrodt 1803 zur selbständigen Pfarre erhoben. Das alte Gotteshaus wurde 1820-21 gründlich renoviert und vergrößert. Doch schon um 1910 war die Kirche wieder zu klein – ein Beweis für die sich stets weiter entwicklende Bevölkerungszahl. Durch die Anbindung an die Vennbahn (1885) und die Ausweitung des Sourbrodter Bahnhofs war hier ein eigenens Viertel entstanden, in dem vornehmlich Deutschsprachige wohnten. Diese stellten 1910 bei Pfarrer Pietkin den Antrag, in ihrem Viertel auch eine Kirche zu bauen. Der 1. Weltkrieg machte jedoch alle Pläne zunichte und 1931 wurde die heutige Kirche auf halben Wege zwischen den beiden Ortsteilen gebaut.
Mit dem Bahnhofsviertel erlebte das Dorf ein zweites Mal eine Siedlungsgründung. Im Mai 1885 wurde die erste Beamtenwohnung in einem trostlosen Gebiet am Rande des Venns errichtet. Die ersten Bahnanlagen waren recht unbedeutend und beschränkten sich auf 3 Gleise. Das Hinterland (arme Vennbauern) bot wenig Kundschaft für Personen- oder Güterverkehr. Aber schon 1887 begann Jean Renardy damit, hier Ziegelsteine im Feldbrand-Verfahren zu backen, denn neben den Bahnanlagen fand er die nötigen Rohstoffe: Lehm und Schiefersand, sowie Torf zum Heizen. Zwei Jahre später baute der pensionierte Oberst von Giese unterhalb des Bahnhofs eine Ziegelbrennerei und ein Torfwerk, das immer hin bis zu 120 Arbeiter beschäftigte. Der 1895 begonnene Ausbau des Elsenborner Militärlagers sowie der Bau der Domäne Rurhof (1901) brachte den Aufschwung für diese Unternehmen. Durch die vielen Arbeitsmöglichkeiten siedelten sich auch immer mehr Familien, Handwerker und kleine Unternehmen im Bahnhofsviertel an. Der Bahnhof selbst wurde als wichtiger Zubringer des Lagers Elsenborn ausgebaut; eine eigene Schmalspurbahn, der „feurige Elias“ verband das Lager mit dem Bahnhof, die Bahnanlagen (Gleise und Gebäude) wurden ab 1905 den neuen Bedürfnissen angepasst.
Das von Oberst a.D. von Giese errichtete Torfwerk und die Ziegelbrennerei boten besonders für arme Vennbauern Arbeitsplätze; ein Sägewerk kam später noch hinzu. „Gut Heil“ und „Zum Wohl der Eifel“ war auf den Tafeln an den Toren zu lesen. Nach von Gieses Tod (1902) führten die Sourbrodter P. Peterges, J. Rauw, Querinjean, Mathy und H. Jenchenne den Betrieb weiter. Die Ziegelei wurde von H. Lang aus Malmedy übernommen. Während des 2. Weltkrieges verbrannten Ziegelei und Sägewerk und das Torfwerk wurde trotz einiger Bemühungen stillgelegt.
Die Domäne Rurhof liegt auf Weywertzer Gebiet; der vom Bahnhof dorthin führende Weg bildet die Grenze zur ehem. Gemeinde Robertville (heute Weismes). Die Anlage stammt aus dem Beginn des 20. Jh., als der preußische Staat zur Hebung der landwirtschaftlichen Tätigkeiten und zur Verbesserung der Erträge Musterhöfe anlegen ließ, so u.a. in Berterath, Bütgenbach und hier auf Weywertzer Gebiet. In Rurhof wurden 245 Ha urbar gemacht und Ställe gebaut. Etwa 100 Milchkühe und ebenso viel Jungvieh war hier untergebracht. Zudem kamen noch einge schwere Ochsengespanne. Polnische Arbeitskräfte versuchten mühevoll, das neugewonnene Land zu beabeiten. Nach dem 1. Weltkrieg kam das Anwesen bis 1927 unter Sequester; in dem Jahr verkaufte der Staat das gelände an den Antwerpener August Muls. Er war mit der russischen Prinzessin Elisabeth Tseretelli verheiratet. Muls modernisierte den Betrieb und verdoppelte den Viehbestand. Seine Frau genoss wegen ihrer gütigen und hilfreichen Art hier großes Ansehen. Sie verstarb schon 1935. Nach dem 2. Weltkrieg übernahm ihr Sohn Robert den Betrieb. Bei einem Arbeitsunfall kam dieser 1960 ums Leben. Ebenso wie seine Eltern ruht er auf dem Sourbrodter Friedhof. Seine Schwester Rosalie wohnte noch bis in die 1980er Jahre auf Rurhof. Das Gelände und die Gebäude des einstigen Musterhofes wurden zwischenzeitlich mehrfach veräußert und aufgeteilt.
(K.D. KLAUSER, nach Beiträgen der ZVS-Monatshefte und anderer Quellen)