60. Jahrestag der Befreiung

17.12.2004

Ansprache von Herrn Klaus-Dieter KLAUSER, Vorsitzender des Geschichtsvereines "Zwischen Venn und Schneifel", zur Eröffnung der Ausstellung "DENK-MAL" in der Pfarrkirche St.Vith am 19.12.2004

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Zur Eröffnung unserer Ausstellung darf ich Sie im Namen unseres Verwal­tungs­rates sehr herzlich begrüßen und für Ihr Kommen danken.

Im diesem Winter jährt sich die Zerstörung St.Viths und anderer Ortschaften wie Rocherath, Büllingen oder Faymonville zum 60. Male – Anlass genug die Geschehnisse und die Hintergründe der Katastrophe noch einmal zu thematisieren und darzustellen. Die Bombardierungen und die Zerstörungen des Winters 1944-45 mit unsäglichem Leid für die einheimische Bevölkerung bildete den apokalyptischen Abschluss einer Zeitspanne, die 1940 mit dem Einmarsch deutscher Truppen vielerorts verheißungsvoll begrüßt wurde. Schon gegen Ende der 1930er Jahre sorgte die verstärkt stattfindende Propagandaaktivität dies- und jenseits der Grenze für emotionale Aufgewühltheit und Zwistigkeiten in unserer Bevölkerung, die nach dem 10. Mai 1940 bisweilen offen ausbrachen. Das Leben unter den neuen Machthabern brachte aber bald Ernüchterung. Nach dem Taumel der „Befreiung“ erwachten viele in einer gleichgeschalteten Gesellschaft, in der die Parteipropaganda die sich einstellenden Versorgungsengpässe zu beschönigen suchte und stattdessen Volksgemeinschaft und Rassenreinheit beschwor. Die ersten Einberufungen zur Wehrmacht ab 1942 und die ersten Todesmeldungen hiesiger Soldaten machten dann wohl den letzten Anhängern der braunen Diktatur klar, was die Stunde geschlagen hatte. Die Stellungsbefehle zur Russlandfront, die ersten Luftangriffe in unserer Gegend, der Einmarsch der Amerikaner im Herbst 1944 und die Evakuierungen machten den Krieg erstmals erfahrbar. Die massiven Zerstörungen und das tausendfache Sterben im Verlauf der Ardennenoffensive bildeten den traurigen Höhepunkt dieser Spirale des Todes. Gefangenschaft, politische Säuberungen und Drangsalierungen in vielfältiger Form und die materielle Not der Nachkriegszeit traumatisierten die Menschen in der unmittelbaren Nachkriegszeit und bis weit darüber hinaus.

Sinn und Zweck der Ausstellung, die wir nachher im Einzelnen vorstellen und deren Themen ich soeben skizzierte, ist es zunächst, das komplexe Zusammenspiel von Propaganda, totalitärem Regime und Menschenverachtung anhand dieser Geschichte aufzuzeigen und zum Nachdenken über Parallelen in der heutigen Zeit anzuregen. Zum anderen geht es darum, den Generationen, die diese unselige Zeit nur vom Hörensagen kennen, anschaulich vor Augen zu führen, welche Katastrophe demokratisches Versagen heraufbeschwören kann. Auch hier bietet sich ein Nachdenken über heutige Situationen an.

Die Ausstellung "DENK-MAL", die wir heute vorstellen und die dem Publikum bis zum 8. Mai nächsten Jahres offensteht, ist Teil einer Veranstaltungsreihe aus Anlass des 60. Jahrestages der Ardennenoffensive und des Endes des 2. Weltkrieges, einer menschlichen und materiellen Katastrophe, deren Folgen noch bis in unsere Zeit hineinreichen. Diese Geschichte kann uns also nicht gleichgültig sein. Geschichte generell kann uns nicht gleichgültig sein, wollen wir uns nicht immer wieder in den gleichen Irrwegen wiederfinden.

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Diese Geschichte und ihre Vorgeschichte kann uns aus mehreren Gründen nicht gleichgültig sein:

- Auch wir leben in einer von Manipulation und Verblendung geprägten Welt, wobei die heimtückische politische Manipulation der 30er Jahre heute nicht die Gefahr darstellt. Der Nährboden für die Anfälligkeit zur Manipulation sind Unwissenheit und Desinteresse, Unzufriedenheit und Übersättigung sowie Unlauterkeit und Unterwürfigkeit. Diese Eigenheiten finden sich auch heute in unserer sogenannten vernetzten, medialen Globalwelt.

- Krieg, Gewalt und Aufrüstung als Mittel zum Machterhalt, zur wirtschaftlichen Ausbeutung und zur Unterdrückung unliebsamer Volks­gruppen ist weiß Gott nicht aus unserer Welt verschwunden. Selbst, wenn wir in diesem Teil der Welt einen schon 60 Jahre andauernden Frieden erleben dürfen, ist es nicht absehbar, dass dieses extreme Mittel politischen Handelns jemals aus unserer Welt verschwindet. Eher verschwindet die Welt.

- Die Interessen einiger Weniger bestimmten (und bestimmen heute noch an uns wohl bekannten Schauplätzen) über das Schicksal ganzer Völker; diese Leidenschaft einiger Weniger schaffte und schafft auch heute noch Leid für Unzählige in Form von Tod, Verstüm­mel­ung, Vertreibung, Verwüstung und Verzweiflung. Die Notwendigkeit zum demokratischen Handeln mag uns etwas satten Zeitgenossen bisweilen lästig und überflüssig vorkommen, doch ist sie schlicht lebensnotwendig für ein friedliches Miteinander. Die schleichende Verwässerung der demokratischen Strukturen und der Ruf nach einer starken Hand, die man bei Bedarf wieder zurücknimmt, haben Hitler an die Macht gespült. Man wurde die Geister, die man rief, eben nicht mehr los.

Diese Denkanstöße, meine Damen und Herren, mögen Ihnen verdeutlichen, wie vielfältig und wie präsent das hier behandelte Thema heute ist und wie notwendig eine solche Ausstellung sein kann. Daher bin ich sehr erfreut, dass sich gerade die Schulen für dieses Thema interessieren und dass es namentlich zwei Pädagogen zu verdanken ist, dass mit unserer Ausstellung ein Begleitdokument angeboten wird, das bei der Gestaltung von Unterrichtseinheiten zum Thema behilflich sein kann.

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Vielen herzlichen Dank an Egi Piette und Dr. Jens Giesdorf für eure äußerst wertvolle Arbeit, die jeder Schule über die Begleitmappe oder über unsere Internet-Seite zugänglich gemacht wird. Ein großes Dankeschön sage ich hier unserem Animator Guido Leufgen, der diese Dokumentation technisch bearbeitete und ins Internet stellte. Besonders danken will ich auch den 84 Schülern und Schülerinnen des 1. Jahres der Sekundarstufe des Kgl. Athenäums St.Vith und ihrer Kunstlehrerin Apollonia Trantes-Berens für ihre hervorragend gestalteten Objekte zur Ausstellung, die Sie nachher beim Rundgang bewundern können und die unser Thema anschaulich darstellen. Ich danke den 7 Damen und Herren, die sich als Zeitzeugen bereit erklärt haben, Schulklassen auf Wunsch durch die Ausstellung zu begleiten. Danke sage ich auch Helmut Breuer, der die Tonarbeiten seiner ehemaligen Schüler sowie ein eigenes Werk zur Verfügung stellte, die den Eingang zur Ausstellung markieren.

Mein Dank geht natürlich auch an die Verantwortlichen der Kirchenverwaltung, insbesondere an Herrn Dechant Jean Pohlen, der uns sofort die Kirche für die Ausstellung zur Verfügung stellte und stets ein offenes Ohr und viel Entgegenkommen für unsere Anliegen gezeigt hat. Vielen Dank auch an Herrn und Frau de Ruyter vom Museum in Poteau, die uns liebenswürdigerweise einige Exponate aus ihrer reichhaltigen Sammlung zur Verfügung stellten.

Ein herzliches Dankeschön sage ich der Stadt St.Vith, die die Schirmherrschaft über die Veranstaltung DENK-MAL übernommen hat. Besonders will ich hier dem Kulturschöffen Lorenz Paasch Dank sagen, der bei seinem ohnehin reichlich gefüllten Terminkalender in vielen Fragen Motor und Koordinator der ganzen Ausstellung war. Vergessen will ich hier nicht die vielen Helfer, die den Aufbau und die Gestaltung mit gewährleisteten, angefangen bei den Arbeitern des städtischen Bauhofs, über die Kollegen vom Geschichtsverein, die tatkräftig mit anpackten, und nicht zuletzt dem Grafiker Erwin Kirsch, der sein Talent und seine Arbeitszeit ehrenamtlich zur Verfügung stellte.

Mit dieser Ausstellung schließt sich der Kreis der Veranstaltungen, die der Geschichtsverein in diesem Jahr aus Anlass des 60. Jahrestages zum Kriegsende anbietet. Unsere beiden Rundfahrten zu Schauplätzen der Adrennenoffensive, die bereits im Oktober stattfanden, sowie unser Wettbewerb für Schulklassen zum gleichen Thema kannten einen sehr guten Erfolg. Einen ebensolchen Erfolg wünsche ich auch der Ausstellung; möge sie - dem Motto gemäß - zum Nachdenken anregen und ein waches Bewusstsein für die heute lauernden Verführungen schaffen.



Die Ausstellung wird in der Pfarrkirche vom 17. Dezember 2004 bis 08. Mai 2005 gezeigt und ist an allen Tagen geöffnet; geführte Besichtigungen werden nach Möglichkeit für Gruppen auf Anfrage beim Geschichtsverein ZVS (Geschäftsstelle Tel.: 080 229209) organisiert.
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Parallel zu dieser Ausstellung wird Erwin Kirsch seine Initiative zur Fortführung des historischen Rundgangs unter dem Motto "ST.VITH VOR 1945 - Ein DENKMAL für die Stadt Sankt Vith" präsentieren und um Unterstützung für die geplante Realisierung bis Mai 2005 bei der Bevölkerung und bei möglichen Sponsoren werben.